Heilsame Abgrenzung
warum Abgrenzung nichts ist, wofür du dich schlecht fühlen musst
Abgrenzung vor Menschen & Umständen, die einem nicht (mehr) gut tun…
von: Yvonne Kefferstein | 02.08.2023
Heute möchte ich ein Thema ansprechen, das für mich in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat.
Vielleicht kennst Du es auch – das Gefühl, dass Dir in einem Gespräch mit einem Menschen oder in einer bestimmten Situation scheinbar sämtliche Energie abhanden kommt und du dich einfach nur ins Bett legen und schlafen möchtest, weil du dich so ausgelaugt fühlst. Nicht jedem Menschen gelingt es gleich gut, aus einer unguten Situation direkt herauszutreten oder einem Gesprächspartner Grenzen aufzuzeigen, ihn wissen zu lassen, dass einem die immer wiederkehrenden Tiraden über sein schweres Leben, seine körperlichen Leiden oder seine bösen Mitmenschen zuviel sind. Natürlich ist es normal und auch wichtig, dass man sich seinen Freunden oder Familienmitgliedern mitteilen kann, wenn es einem nicht gut geht, wenn bestimmte Situationen gerade herausfordernd sind und man dringend ein Ohr braucht. Dennoch gibt es diese Energieräuber, die genau merken, wann ihr Gegenüber ihnen quasi wehrlos gegenübersteht und sie ihr ganzes Paket bei ihm abladen können.
Oft ist es nicht so leicht möglich, sich im selben Moment aus einer belastenden Situation oder einem anstrengenden Gespräch zu entfernen – wenn es sich etwa um ein Gespräch mit dem Chef handelt oder die eigene Mutter Hilfe braucht und dabei vielleicht nörgelig ist, weil sie merkt, dass sie nicht mehr im vollen Besitz ihrer Kräfte ist. Solche Situationen sind jedoch normal und gehören zum Leben dazu.
Problematisch wird es dann, wenn diese Situationen gehäuft auftreten und zu einer dauerhaften Belastung werden. Wenn der Chef dafür bekannt ist, cholerisch zu sein, und seine Mitarbeiter grundlos herunterputzt. Hier sollte man sich mit der Zeit überlegen, ob es dieser spezielle Arbeitsplatz samt seines “Schmerzensgeldes” wirklich wert ist, den Kopf einzuziehen und durchzuhalten. Oder wenn z. B. die pflegebedürftige Mutter den Anspruch hat, einzig und allein von ihrer vielleicht noch berufstätigen Tochter versorgt zu werden und diese dann zum Dank noch täglich mit Vorwürfen belegt, weil sie nicht rund um die Uhr zur Stelle ist. Auch hier ist es nicht verwerflich, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren und sich entgegen dem Willen der Mutter Hilfe zu holen.
Natürlich ist man in einem Familiengefüge nicht gleich gewillt, Familienmitglieder, die einem über längere Zeit nicht gut tun, aus seinem Leben zu streichen. Familie ist wichtig, sie ist der Grundstein dafür, dass du bist wie du bist. Drum ist eine Aufarbeitung des familiären Zusammenspiels besser als ein radikaler Schnitt, bei dem beiden Teilen großer Schmerz zugefügt wird.
Auch oder gerade in Partnerschaften fällt es vielen Menschen schwer, Grenzen zu ziehen. Sei es aus Angst, nicht mehr zu gefallen, oder weil es vielleicht von klein auf so gelernt wurde, keine Widerworte zu geben und seine eigenen Bedürfnisse unterzuordnen.
Wenn du immer wieder Kränkungen und Zurückweisungen deines Partners ertragen musst, ist die einzige Lösung, klare Grenzen zu ziehen und die Einhaltung dieser Grenzen konsequent einzufordern. Falls dennoch diese Grenzen wieder und wieder überschritten werden, hilft nur, sich aus dieser Beziehung zurückzuziehen – vielleicht erst einmal für einen gewissen Zeitraum, den DU bestimmst, oder aber sogar für immer. Hierfür ist allerdings ein starkes Selbstwertgefühl gefragt.
“Selbstwert kommt lediglich von einer Sache – zu denken, dass Du es wert bist” – Wayne Dyer
Wie geht denn nun richtige Abgrenzung?
Wie schon vorher geschrieben, ist es ohne ein gewisses Selbstwertgefühl nahezu unmöglich, seine eigenen Grenzen überhaupt erst einmal zu spüren, bevor man sie anderen aufzeigen kann. Daher ist es zuallererst wichtig, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Menschen mit einem starken Selbstwertgefühl werden tendenziell weniger angegriffen oder als seelischer Mülleimer missbraucht.
Ein bewusstes Wahrnehmen der belastenden Situation ist Grundvoraussetzung. Fühle, ob dein Bauch sich zusammenzieht, ob deine Kehle vielleicht eng wird, oder ob du am Liebsten davonlaufen möchtest. Dies sind starke Anzeichen dafür, dass jemand drauf und dran ist, deine persönliche Grenze zu überschreiten. Nimm dir die Zeit für einen tiefen Atemzug. Niemand erwartet eine pfleilschnelle oder gar übereilte Reaktion von dir. Formuliere klar und deutlich, dass du dich in dieser Situation nicht wohl fühlst. Erbitte dir vielleicht sogar Bedenkzeit, wenn dir ein Anliegen vorgetragen wird, bei dem du dir nicht sicher bist, wie du dich damit fühlst. Wenn dir jemand kränkend gegenübertritt, darfst du dir diese Wortwahl verbitten und ein Gespräch anbieten, wenn dein Gegenüber bereit ist, sich vernünftig mit dir zu unterhalten.
Falls du noch nicht so geübt darin bist, Grenzüberschreitungen in dem Moment wahrzunehmen, in dem sie geschehen, kann ein deutliches Anzeichen sein, dass deine Haut im Nachgang verrückt spielt, du einen Ausschlag entwickelst – denn deine Haut ist die physische Grenze zur Außenwelt. Wenn du einmal wieder ein unerklärliches Hautproblem hast, empfehle ich dir, einmal die letzten Stunden bzw. Tage Revue passieren zu lassen, ob dir vielleicht irgend jemand zu nahe getreten ist. Oft lässt sich im Nachhinein gut nachvollziehen, was da kurz zuvor geschehen ist. Dann kannst du dich in diese spezielle Situation hineinversetzen und noch einmal nachspüren, was das mit dir gemacht hat. So lernst du, mehr und mehr auf dein Gefühl zu achten.
Falls es trotz wiederholtem Aufzeigen der eigenen Grenzen dennoch immer wieder zu Überschreitungen dieser kommt, hilft in letzter Konsequenz manchmal nur eine Kontaktminimierung oder sogar ein Kontaktabbruch. Hier werden vielleicht starke Bedenken auftreten, ob dies denn wirklich nötig war, oder ob das gar ein schlechter Zug war. Aber du darfst dir vertrauen – mit der Zeit wirst du immer besser darin werden, zu spüren, wo deine Grenzen sind und wer sie immer wieder überschreitet.
Sei gut zu dir selbst, Andere werden es dir gleichtun!
